Der Vorraum der Mikwe ist aus hellem, sandfarbigen Stein.

In die Tiefe: Neue Forschungen an der mittelalterlichen Kölner Mikwe

Der 16 Meter tiefe Schacht der mittelalterlichen Kölner Monumentalmikwe ist eines der Herzstücke von MiQua. Seit Oktober 2022 beschäftigt sich ein interdisziplinäres Forschungsteam aus Deutschland und Israel mit dem damals innovativen Bauwerk.



Von oben blickt man tief runter in den Schacht der Kölner Mikwe. Die Wände sind aus hellem Stein. Tief unten kann man das mit Wasser gefüllte Tauchbecken sehen.

Einblicke in den Schacht der Mikwe in Köln. Foto: Yulia Lim, Stadt Köln, Archäologische Zone.

Die Mikwe: Ein Ort der rituellen Reinigung

Für die mittelalterliche jüdische Gemeinde in Köln war die Mikwe von zentraler Bedeutung, denn sie diente der rituellen Reinigung. Männer und Frauen tauchten hier unbekleidet und mit dem ganzen Körper unter, beispielsweise vor ihrer Hochzeit. Frauen besuchten die Mikwe nach der Geburt eines Kindes oder nach ihrer Menstruation. Auch das Geschirr wurde in der Mikwe gekaschert, also tauglich gemacht, um den jüdischen Speisegesetzen zu entsprechen. Für die rituelle Reinigung wird lebendiges Wasser benötigt. Dazu zählen Regen- und Grundwasser, aber auch das Wasser in natürlichen Seen oder Flüssen. Die Kölner Mikwe wird durch Grundwasser gespeist.

Eine Treppe führt hinunter in den Schacht der Mikwe. Rundbögen sind oben an der Treppe zu sehen.

Die Treppe führt hinunter in den Schacht der Mikwe in Köln. Foto: Yulia Lim, Stadt Köln, Archäologische Zone.

Die Geschichte der Kölner Mikwe

Über einen ursprünglich gewölbten, mit Säulen geschmückten Vorraum gelangen Besucher über zahllose Treppenstufen bis zum grundwassergefüllten Tauchbecken aus rotem Sandstein. Nach dem heutigen Stand der Forschung entstand die Mikwe um die Mitte des 12. Jahrhunderts. Dafür sprechen die romanischen Bauformen der Säulen im Vorraum und die Keramik aus der Baugrube.

Der Kölner Bau ist damit der vermutlich älteste einer kleinen Gruppe von monumentalen, mittelalterlichen Grundwasser-Mikwen im deutschsprachigen Raum. Ähnliche Konstruktionen finden sich in Worms (1186), Speyer (um 1200), Friedberg (um 1260), Erfurt (im Kern romanisch) und Andernach (14. Jahrhundert).

In den nicht-jüdischen schriftlichen Quellen findet die Mikwe erst 1270, gut 100 Jahre nach ihrem Bau, einen Niederschlag. Die Zeitgenossen bezeichneten sie als puteus Iudeorum (Brunnen der Juden), Caldenbad (Kaltes Bad), Caldenburne (Kalte Quelle/Kalter Born) oder großer/viereckiger Pütz.


Ein Blick von oben in das trockene Tauchbecken der Mikwe. Treppenstufen führen nach unten.

Bei langanhaltender Trockenheit kann auch das Tauchbecken der Mikwe trockenfallen. Foto: Michael van den Bogaard, Stadt Köln, Archäologische Zone.

Die Kölner Mikwe nach der Ausweisung der jüdischen Gemeinde in 1424

Als die Stadt Köln im Jahr 1424 die jüdische Gemeinde aus der Stadt auswies, hatte die Mikwe keine Funktion mehr. Die neuen christlichen Besitzer rissen zunächst die wertvollen Treppenstufen aus Sandstein und Trachyt bis zur Wasserlinie heraus und verwendeten sie andernorts als Baumaterial wieder. Danach wurde die Mikwe in eine Latrine umgewandelt.

Obwohl der Kölner Archäologe Otto Doppelfeld die Mikwe bereits 1956 während der Ausgrabung der Synagoge wiederentdeckte und untersuchte, wirft der Bau immer noch zahlreiche ungeklärte Fragen auf.

„Das, was unsere Forschungen zum mittelalterlichen jüdischen Viertel zu Tage fördern, versetzt mich selbst immer wieder ins Staunen.“
Dr. Tanja Potthoff
Kuratorin der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit

Ein Rundbogen aus hellem Stein im Vorraum der Mikwe in Köln. Der Bogen wird durch warmes Licht beleuchtet. Ein Rundbogen aus hellem Stein im Vorraum der Mikwe in Köln. Foto: Michael van den Bogaard, Stadt Köln, Archäologische Zone.

Zwei Menschen mit Bauhelmen sind aus der Vogelperspektive zu sehen. Sie sind nach vorne gebeugt über Ausgrabungswerkzeug. Sie werden durch einen Scheinwerfer in dem sonst dunklen Raum beleuchtet.

Das Mikwen-Forschungsteam bei der Entnahme von Steinproben zur Analyse in Köln. Foto: Tanja Potthoff / MiQua

Internationales Mikwen-Forschungsteam

Seit Oktober 2022 beschäftigt sich ein interdisziplinäres Forschungsteam aus Deutschland und Israel wieder mit der Mikwe:

  • die Judaistin Neta Bodner (Open University of Israel)
  • der Historiker Tzafrir Barzilay (Bar Ilan University)
  • Michael Wiehen, der Ausgrabungsleiter der Archäologischen Zone
  • die Judaistin Christiane Twiehaus (MiQua) und
  • die Archäologin Tanja Potthoff (MiQua).

Das Forschungsprojekt wird durch die Israel Science Foundation gefördert.

Ein Blick von oben in die Kölner Mikwe. Zu sehen sind Treppen nach unten sowie das Wasserbecken.

Ein Blick von oben in die Kölner Mikwe. Foto: Michael van den Bogaard, Stadt Köln, Archäologische Zone.

Forschungsinhalte

Die interdisziplinäre Besetzung des Teams ermöglicht es, sich der mittelalterlichen Mikwe in Köln aus unterschiedlichen Richtungen zu nähern. Im Fokus steht:

  • das Gebäude,
  • seine Baugeschichte,
  • die archäologischen Strukturen und Funde,
  • die historischen, lateinischen, deutschsprachigen und hebräischen Quellen,
  • die geplante Betrachtung der Topographie, Geologie und Hydrologie, also die Betrachtung der Gelände- und Bodenbeschaffenheit sowie der Wasserversorgung..


Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Quellen soll so ein anschauliches Bild der Kölner Mikwe entstehen, ihres Baus, ihrer Entwicklung, ihrer Nutzung und Bedeutung im Leben der jüdischen Gemeinde.
Bis die Mikwe in der zukünftigen Dauerausstellung des Museums wieder öffentlich zugänglich sein wird, hofft das Forschungsteam, ihr noch viele Geheimnisse zu entlocken.

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