Hebräische Schrift in einem mittelalterlichen Buch, dem Amsterdam Machsor. Die hebräischen Schriftzeilen werden von kunstvollen Illuminationen und Schriftzügen in Blattgold ergänzt.

Hebräische Manuskripte, oder: Wer erzählt Geschichte?

Viele der hebräischen Manuskripte aus dem Mittelalter sind nicht übersetzt. Das Ziel von MiQua ist es, den Kölner Alltag im jüdischen Viertel durch hebräische Überlieferungen sichtbar zu machen.

Geschichte: Stimmen hörbar zu machen

Geschichte ist vielfältig und hat mehrere Perspektiven, die berücksichtigt werden müssen. Anders als heute, wo alles und überall online geteilt wird, jeder und jede freiwillig oder unfreiwillig sichtbar ist, sind Zeug*innen früherer Zeiten seltener. Und sie werden weniger, je weiter wir zurückgehen. Egal, ob es sich um Mensch oder Objekt handelt. So arbeiten Historiker*innen mit den Dingen, die erhalten sind – wohlwissend, dass es nur ein Teil dessen ist, was war. Es liegt in der Verantwortung von Museumskurator*innen, alle überlieferten Stimmen hörbar und alle Perspektiven nachvollziehbar zu machen. Oder aber das Schweigen zu benennen. Wie im Fall des Pest-Massakers von 1349 in Köln, wozu uns keine jüdische Quelle überliefert ist.

Der Amsterdam Machsor, ein dickes, altes Buch aus dem Mittelalter, liegt aufgeklappt in einer Vitrine, die sich in einem Ausstellungsraum im Wallraf-Richartz-Museum befindet. Die aufgeklappte Buchseite zeigt hebräische Schrift. Im Hintergrund eine dunkle Wand mit Ausstellungstexten.

Der Amsterdam Machsor im Wallraf-Richartz Museum in der Ausstellung "Der Amsterdam Machsor - Ein Schatz kehrt heim" 2019-2020. © Joods Historisch Museum, Amsterdam und Landschaftsverband Rheinland (2017 erworben durch das Joods Historisch Museum, Amsterdam und den Landschaftsverband Rheinland mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Kulturförderung des Landes Nordrhein-Westfalen, der C.L. Grosspeter Stiftung, des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes sowie der Sparkasse KölnBonn und der Kreissparkasse Köln). Foto: Klaus W. Schmidt

MiQua: Hebräische Überlieferungen zum Kölner jüdischen Alltag im Mittelalter sichtbar machen

Für MiQua ist es ein selbstverständliches Anliegen, die vielfältige hebräische Überlieferung zum Kölner jüdischen Alltag im Mittelalter in Ausstellungen und Veranstaltungen sichtbar zu machen. So wird jüdisches Leben auch mit einer jüdischen Perspektive erzählt. Denn das Leben war mehr als eine Aneinanderreihung von Schutzbriefen, Ratsbeschlüssen und Kaufverträgen – ein Eindruck, den man sehr schnell bekommt, wenn man nur auf die nichtjüdische Überlieferung zurückgreift.

Viele der hebräischen Manuskripte aus dem Mittelalter sind weder transkribiert noch übersetzt. Es erfordert nicht nur das Wissen, welche Art von Texten relevant sein könnten, sondern auch die Fähigkeit, diese Texte lesen zu können. Im Rahmen einer ersten Untersuchung konnte bereits eine größere Anzahl an Texten zusammengetragen werden. Sie eröffnen uns einen einmaligen Blick in den Alltag des Kölner jüdischen Viertels.

Bildergalerie hebräischer Manuskripte


Ein orange-braunes, altes Buch vor grauem Hintergrund.

Das Sefer Mitzvot Katan ist das kleine Buch der Vorschriften, ein Ritenkodex des Isaak ben Joseph von Corbeil, das er vor 1280 verfasste und das im Mittelalter große Verbreitung fand. Credits: From the Rosenthaliana Collections - Special Collections of the University of Amsterdam. Digitisation by Ardon Bar-Hama, The National Library of Israel. „Ktiv" Project, The National Library of Israel, AMST Ros 558.

Ein aufgeklapptes, altes Buch zeigt sehr alte Seiten mit hebräischen Schriftzeilen.

Fol. 272r. Das hier vorliegende Exemplar hat eine Kölner Geschichte: 1377 wurde Simon von Siegburg hier des Verrats beschuldigt und hingerichtet. Um der eigenen Hinrichtung zu entgehen, ließ sich seine Frau Hannah bat Menachem Zion taufen. 1386 fertigte sie eine Abschrift des Sefer Mitzvot Katan an. Credits: From the Rosenthaliana Collections - Special Collections of the University of Amsterdam. Digitisation by Ardon Bar-Hama, The National Library of Israel. „Ktiv" Project, The National Library of Israel, AMST Ros 558.

Ein altes Buch ist aufgeklappt vor grauem Hintergrund abfotografiert. Die alten Seiten zeigen hebräische Schriftzeilen.

Fol. 122r. Im Manuskript befindet sich im Rahmen einer Formel für Scheidungsurkunden ein Hinweis auf die Stadt Köln, vermutlich hat sie hier die Abschrift angefertigt. Credits: From the Rosenthaliana Collections - Special Collections of the University of Amsterdam. Digitisation by Ardon Bar-Hama, The National Library of Israel. „Ktiv" Project, The National Library of Israel, AMST Ros 558.

Ein dunkles, altes Buch mit braunen Einband ist vor grauem Hintergrund abfotografiert.

Das Memorbuch der Gemeinde Deutz wurde von 1593 bis 1784 geführt. Memorbücher enthalten Namen von Pogrom-Opern und verdienstvollen Gemeindemitgliedern sowie Gebete und ausgewählte Ereignisse. Memorbücher sind somit auch für Historiker*innen wertvolle Zeugen der jüdischen Geschichte. Credits: From the Rosenthaliana Collections - Special Collections of the University of Amsterdam. Digitisation by Ardon Bar-Hama, The National Library of Israel. „Ktiv" Project, The National Library of Israel, AMST Ros 746.

Ein altes Buch ist aufgeklappt und zeigt hebräische Schriftzeilen, die an den Rändern durch Illustrationen verziert sind.

Fol.2a. Der dritte Eintrag auf der linken Seite hält ein mittelalterliches Ereignis fest: Die Stiftung des Hospitals im Kölner jüdischen Viertel. Auch die Namen der Stifter werden genannt: Eliakim und seine Mutter Beila, Mordechai und seine Frau Hanna. Credits: From the Rosenthaliana Collections - Special Collections of the University of Amsterdam. Digitisation by Ardon Bar-Hama, The National Library of Israel. „Ktiv" Project, The National Library of Israel, AMST Ros 746.

Ein altes Buch ist vor grauem Hintergrund abfotografiert und zeigt hebräische Schriftzeilen.

Fol. 45b. Auf diesen Seiten werden die Gemeinden genannt, die den Massakern während der Pest 1348 – 1350 ausgesetzt waren. Der letzte Eintrag auf der rechten Seite nennt Opfer der Kölner Gemeinde. Credits: From the Rosenthaliana Collections - Special Collections of the University of Amsterdam. Digitisation by Ardon Bar-Hama, The National Library of Israel. „Ktiv" Project, The National Library of Israel, AMST Ros 746.

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