Glossar

Antisemitismus:
beschreibt Hass gegenüber Jüdinnen*Juden sowie Personen oder Institutionen, die als jüdisch wahrgenommen werden. Antisemitische Diskriminierung kann sich auf vielfältige Weisen äußern – von verbaler Anfeindung bis hin zu körperlichen Übergriffen. Jüdinnen*Juden werden dabei als homogene Gruppe betrachtet, die in der Folge antisemitischer Denkmuster und in Abgrenzung von der eigenen Position abgewertet wird.
Arisierung:
Der NS-Begriff „Arisierung“ bezeichnet den Vorgang der Enteignung des Besitzes von Jüdinnen*Juden, also deren Unternehmen, Geschäfte, Haus- und Grundeigentum sowie Aktien, Barvermögen, und die Übereignung an nichtjüdische (im nationalsozialistischen Sprachgebrauch „arische“) Privatleute, Firmen oder an den Staat.
Bar / Bat Mitzvot:
Mit Vollendung des 13. Lebensjahres wird ein Jude religionsmündig. Als ein Bar Mitzwa, ein Sohn des Gebots, wird er zum ersten Mal zur Tora-Lesung in der Synagoge aufgerufen. Seit dem 19. Jahrhundert wird in liberalen Gemeinden auch die religiöse Volljährigkeit des Mädchens gefeiert. Sie wird bereits mit 12 Jahren Bat Mitzwa, also Tochter des Gebots, und hält einen Vortrag in der Synagoge. Hier zählt sie nun wie der Junge zum Minjan, also zu den 10 Personen, die mindestens zur Durchführung eines Gottesdienstes notwendig sind.
Berliner Secession:
Deutsche Künstlergruppe, die 1898 von 65 Kunstschaffenden gegründet wurde. Ihr Anliegen war es, moderne Strömungen in den deutschen Kulturbetrieb einzuführen. Hierdurch wurde die Gruppe zum Wegbereiter der modernen Malerei im Deutschen Kaiserreich. Sie stand in Opposition zur Königlichen Akademie der Künste, auf die Kaiser Wilhelm II. starken Einfluss nahm und vor allem patriotische Kunstwerke in traditionell realistischer Ästhetik förderte.
Beate und Serge Klarsfeld:
Deutsch-französisches Ehepaar, das sich bis heute einsetzt und nicht selten das eigene Leben riskiert hat, um ehemalige Nationalsozialist*innen und Kriegsverbrecher*innen vor Gericht zu bringen.
Boykott jüdischer Geschäfte:
Reichsweite Aktion, zu der die Führung der NSDAP aufgerufen hatte. Als offizielle Begründung galten die internationalen Proteste gegen die Diskriminierung der Jüdinnen*Juden in Deutschland, welche von den Nationalsozialist*innen als jüdische Lügen und Verleumdungen bezeichnet wurden. Mit dem Boykott sollten diese vergolten werden.
Drancy:
Sammel- und Durchgangslager, das sich in der Nähe von Paris befand. Von hier aus wurden Zehntausende Jüdinnen*Juden, hauptsächlich französische und staatenlose, in Vernichtungslager im besetzten Polen deportiert. Gefangene in Drancy mussten dort unter den widrigsten Bedingungen leben.
Dreyfus-Affäre:
Bei der sogenannten Dreyfus-Affäre handelte es sich um einen Justizskandal, der die französische Politik und Gesellschaft in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts tief spaltete. Dem Hauptmann Alfred Dreyfus wurde vorgeworfen, für das Deutsche Kaiserreich spioniert zu haben. Daraufhin wurde er 1894 durch das Kriegsgericht in Paris verurteilt. Die Verurteilung des aus dem Elsass stammenden jüdischen Offiziers basierte auf rechtswidrigen Beweisen und zweifelhaften Handschriftengutachten. Erst im Jahr 1906 wurde das Urteil aufgehoben und Dreyfus vollständig rehabilitiert.
Klaus von Dohnanyi
ist ein deutscher Jurist und SPD-Politiker. Er war von 1972 bis 1974 Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, von 1969 bis 1981 Abgeordneter im Deutschen Bundestag und von 1981 bis 1988 Erster Bürgermeister Hamburgs. Mehrere seiner Familienmitglieder betätigten sich im Widerstand gegen das NS-Regime. Sowohl sein Vater als auch sein Onkel wurden hierfür hingerichtet. 1986 gründete er die Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte.
„Entartete Kunst“:
Als „Entartete Kunst“ galten im NS-Regime alle Kunstwerke und kulturellen Strömungen, die mit dem Kunstverständnis und dem Schönheitsideal der Nationalsozialist*innen nicht in Einklang zu bringen waren: Expressionismus, Impressionismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit, Surrealismus oder Kubismus. Als „entartet“ galten unter anderen Werke von Ernst Ludwig Kirchner, Max Ernst oder Paul Klee. Eine gleichnamige Ausstellung zeigte ab 1937 Kunstwerke dieser Strömungen, in der die Exponate mit Zeichnungen von Menschen mit geistiger Behinderung gleichgesetzt und mit Fotos verstümmelter Menschen kombiniert wurden – Ziel war dabei, bei den Besucher*innen Abscheu und Beklemmungen auszulösen. Zahlreiche Kunstwerke wurden in der Zeit des NS-Regimes ins Ausland verkauft oder zerstört.
Fils et Filles des Déportés Juifs de France (FFDJF):
Vereinigung von Söhnen und Töchtern der deportierten Jüdinnen*Juden aus Frankreich, die 1979 von Beate und Serge Klarsfeld gegründet wurde und seither unter dem Vorsitz der beiden ist. Ihr Ziel ist es, die Rechte der Nachfahren der jüdischen Deportierten einzufordern und die überlebenden Verantwortlichen der Schoah vor Gericht zu bringen. Dank ihres Einsatzes erkannten die französischen Behörden die Verantwortung und Schuld des Vichy-Regimes in der Verfolgung der Jüdinnen*Juden öffentlich an. Lange wurde verschwiegen beziehungsweise bestritten, dass auch französische Beamte und Polizist*innen im Namen Frankreichs in der Schoa verwickelt waren.
Geltungsjude:
Während der Zeit des Nationalsozialismus führte der Staat die „Nürnberger Gesetze“ ein. Diese waren rassistisch begründet und verfolgten all jene, die mindestens einen nach nationalsozialistischer Definition „jüdischen“ Großelternteil hatten – ungeachtet des Glaubensbekenntnisses. Den betroffenen Menschen wurden damit ihre deutsche Staatsangehörigkeit und Bürgerrechte aberkannt. Dabei unterschied das NS-Regime zwischen „Volljuden“ und „Halbjuden“, die sie auch „Mischlinge“ nannten. Eine Person, die einen jüdischen und einen nichtjüdischen Elternteil hatte und nach jüdischer Tradition erzogen wurde, galt als „Geltungsjude“. Ehen, die zwischen jüdischen und nichtjüdischen Partner*innen entstanden und ihre Kinder nicht nach jüdischem Glauben erzogen, wurden als „privilegierte Mischehen“ bezeichnet. So musste der*die jüdische Partner*in beispielsweise nicht den „Gelben Stern“ tragen, sofern das Paar Nachwuchs hatte.

Diese diskriminierenden Regelungen entsprachen keinesfalls der jüdischen Tradition und sind als menschenrechtsverletzend zu betrachten.
Gestapo
ist die Abkürzung für Geheime Staatspolizei. Als politische Polizei der nationalsozialistischen Machthaber*innen verfügte sie über jegliche Macht, um Gegner*innen des Nationalsozialismus zu verfolgen. Als solche galten politische Gegner*innen, aber auch aus nationalsozialistischer Sicht „minderwertige“ Personen wie Jüdinnen*Juden, Sinti*zze, Rom*nja, Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen und andere. Die Gestapo war für ihre brutalen Foltermethoden berüchtigt und gefürchtet. Die Organisation ist maßgeblich für die Verfolgung, Deportation und Ermordung der jüdischen Bevölkerung sowie der Sinte*zze und Rom*nja während des NS-Regimes verantwortlich.
Ghettohaus:
Als „Judenhaus“ bezeichneten Nationalsozialist*innen Wohnhäuser aus ehemals jüdischem Eigentum, in die ausschließlich jüdische Mieter*innen zwangsweise einziehen mussten. Hier waren sie gezwungen, in engen Verhältnissen mit anderen, teilweise unbekannten Menschen zu leben. Um den nationalsozialistischen Begriff „Judenhaus“ zu vermeiden, wird heute das Wort „Ghettohaus“ verwendet.
Impressionismus:
Charakteristisch für den künstlerischen Stil des Impressionismus ist das Zeichnen des Alltags: die Pariser Bars und Tanzhallen, Vergnügungen an der Seine, das neue Eisenbahnnetz und die Stadt oder Landschaft selbst. Impressionist*innen malten gern im Freien. Um die wechselnden Eindrücke von Licht und Atmosphäre festzuhalten, entwickelten sie neue Techniken: Dabei trugen sie die Farbe in kurzen, feinen Strichen auf. Dennoch war ihre Pinselführung rauer und sichtbarer als die der akademischen Konkurrenz. Maler wie Claude Monet, Camille Pissarro und Edouard Manet zählen zu den bekanntesten Impressionist*innen.
Jawne:
Die Jawne war ein jüdisches Gymnasium in Köln und existierte von 1919 bis 1942. Es war das erste jüdische Gymnasium im Rheinland.
Judaica:
Als Judaica werden alle Ritualgegenstände bezeichnet, denen eine heilige Qualität innewohnt, wie etwa die Tora. Oder es sind Objekte, die zur Ausführung des jüdischen Rituals notwendig sind. Hochzeitsringe beispielsweise werden im Judentum unterschiedlich verwendet: Im orthodoxen Judentum legt der Bräutigam der Braut den Ring an. In den nicht-orthodoxen Strömungen des Judentums werden die Ringe ausgetauscht. Die mittelalterlichen Hochzeitringe wurden nur in der Zeremonie verwendet und nicht im Alltag getragen.
Jüdinnen*Juden:
Der Begriff umfasst in der Zeit des Nationalsozialismus auch Menschen, die nach nationalsozialistischer Definition als solche verfolgt wurden.
Jüdische Sonderschau auf der Pressa:
1928 fand in der Kölner Messe die Internationale Presseausstellung „Pressa“ statt. Neben Ländern und Zeitungen, präsentierten sich hier auch unterschiedliche Gesellschaftsgruppen in eigens für diese „Sonderschauen“ errichteten Gebäuden. Die jüdische Sonderschau zeigte in einem vom jüdischen Architekten Robert Stern erbauten Pavillon einen Überblick über das jüdische Schrifttum der Welt, darunter eine Tora-Rolle aus Worms sowie Bibel- und Talmudausgaben bis hin zu zeitgenössischer jüdischer Literatur.
Kindertransporte:
Ziel der sogenannten Kindertransporte war es, Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre vor der Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime im Deutschen Reich und den von ihm besetzten Gebieten in Sicherheit zu bringen. Über 10.000 von ihnen – überwiegend jüdisch – gelang so zwischen 1938 und 1940 die Flucht nach Großbritannien und in andere Länder. Viele von ihnen sahen ihre Familien nie wieder. Durch die Besetzung Belgiens und der Niederlande im Zweiten Weltkrieg konnten die dorthin Geflüchteten dennoch nicht alle gerettet werden.
Kurt Lischka
war ein deutscher SS-Obersturmbannführer und Gestapo-Chef, der sich aktiv an den Verfolgungen der Jüdinnen*Juden beteiligte. Von Januar bis August 1940 war Lischka Chef der Kölner Gestapo, die im EL-DE-Haus ihren Sitz hatte. Im November des gleichen Jahres wurde er nach Paris versetzt, wo er bis September 1943 blieb. Er war für die Deportation von mindestens 73.000 Jüdinnen*Juden über das Lager Drancy in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau mitverantwortlich. Nach dem Krieg lebte und arbeitete er lange unbehelligt, bis ihn das Ehepaar Klarsfeld in Köln aufspürte. Erst 1979 kam es zum Gerichtsprozess; er wurde anschließend zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Moriah:
Seit 1884 betrieb die orthodoxe Gemeinde Adass Jeschurun neben dem jüdischen Lehrer*innenseminar in der St. Apernstraße 18-22 auch eine Volksschule, welche als Übungsschule für die Seminarist*innen diente. 1907 wurde diese Schule unter dem Namen Moriah in eine private orthodoxe Volksschule umorganisiert und erweitert. Anders als in der Städtischen Israelitischen Volksschule orientierten sich die Lehrpläne hier stärker an religiös-orthodoxen Lerninhalten, was sie bis 1933 vor allem bei Kindern aus osteuropäischen Familien beliebt machte.
NSDAP:
Die 1920 gegründete Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei war eine politische Partei, deren Programm, Weltansichten und Ideologie von radikalem Antisemitismus und Nationalismus bestimmt war. Darüber hinaus lehnte die Partei Demokratie und Marxismus strikt ab. Ab 1921 stand Adolf Hitler, der spätere Reichskanzler, als Vorsitzender an der Spitze der Partei. Während des „Dritten Reiches“ (1933–1945) war die NSDAP die einzige zugelassene Partei. Nach dem Zweiten Weltkrieg stuften die Alliierten sie mit ihren Untergliederungen wie beispielsweise der „Hitlerjugend“ und der „Kraft durch Freude“ als verbrecherische Organisation ein. Sie wurde damit aufgelöst und verboten.
Reichssicherheitshauptamt:
Im Jahr 1939 wurde das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) gegründet. Es vereinigte die bisherigen Kommandostellen der Gestapo, Kriminalpolizei und des Sicherheitsdienstes (SD). Somit waren die Möglichkeiten und Kompetenzen von staatlichen Organen und Unterorganisationen der NSDAP eng miteinander verbunden. In der Gründung des RSHA gipfelte die von Heinrich Himmler erzwungene Verselbstständigung des Gewaltapparats.
August Sander:
Der Fotograf August Sander (1876–1964) wirkte zwischen 1911 und 1942 in Köln-Lindenthal. Mit seiner kommerziellen Tätigkeit verband er ein historisches und künstlerisches Interesse. Durch seine Schwarzweißfotografien erlangte er Weltruhm. Er gilt heute als einer der großen Wegbereiter einer sachlichen Fotografie.
Schoa
bezeichnet die systematische Massenvernichtung von ca. sechs Millionen Jüdinnen*Juden in Deutschland und Europa zur Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Das Wort „Schoa“ kommt aus dem Hebräischen und bedeutet Katastrophe.
Stolpersteine
sind kleine Denkmale für Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden. Sie werden vor den letzten freiwillig gewählten Wohnhäusern verlegt, in denen die Menschen vor ihrer Flucht oder Verhaftung lebten. Damit erinnern sie individuell an das Schicksal der Verfolgten und werfen gleichzeitig Fragen nach Täter- und Mittäterschaft auf.

Stolpersteine können für alle Opfer des NS-Regimes verlegt werden. So erinnern die kleinen Gedenktafeln nicht nur wie hier an jüdische Personen, sondern beispielsweise auch an politisch Verfolgte, an Sinti*zze und Rom*nja und an Menschen, die als homosexuell verfolgt wurden. Verantwortlich für das Projekt „Stolpersteine“ ist der Künstler Gunter Demnig. Mitte der 1990er Jahre verlegte er in Köln die ersten Stolpersteine. Seitdem sind alleine in dieser Stadt rund 2.500 Steine hinzugekommen (Stand Sommer 2021). Auch in zahlreichen anderen deutschen Städten sowie in Ländern, die während des Krieges von Deutschland überfallen wurden, wird heute mit den Steinen der verfolgten Bürger*innen gedacht.

Das Projekt beruht auf bürgerschaftlichem Engagement. Ein Stolperstein kann immer dann verlegt werden, wenn Einzelne oder Gruppen eine kostenpflichtige Patenschaft übernehmen. Häufig sind dies Personen, die in der Nähe wohnen oder arbeiten. Auch manche Vereine übernehmen Patenschaften, um etwa an ehemalige Mitglieder zu erinnern. Und auch Schulen sponsern regelmäßig Stolpersteine in ihrer Nachbarschaft oder lassen sie für ehemalige Schüler*innen vor dem Schulgebäude verlegen.
Tora:
Die Tora (Gesetz, Lehre) bezeichnet die fünf Bücher Moses. Sie wird für den gottesdienstlichen Gebrauch auf eine Pergamentrolle geschrieben und ist als Kernstück des Judentums das heiligste Objekt. Aus ihr wird wöchentlich im Gottesdienst gelesen.
Vernichtungslager
sind Konzentrationslager, die das zur Zeit des Nationalsozialismus ausschließlich zur Ermordung der Gefangenen bestimmt war. Die Nationalsozialist*innen ließen sie insbesondere für die systematische Tötung der europäischen jüdischen Bevölkerung bauen. Die meisten Vernichtungslager befanden sich im besetzten polnischen Gebiet.